Ikonografie

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Ikonografie ist die kunsthistorische Disziplin, die sich mit der Erkennung, Deutung und Systematisierung von Bildinhalten befasst. Der Begriff stammt vom griechischen „eikon“ (Bild) und „graphein“ (schreiben), was wörtlich „Bildbeschreibung“ bedeutet. Im Zentrum steht die Frage: Was zeigt ein Bild – und was bedeutet es?

Ob in der sakralen Kunst des Mittelalters, in mythologischen Szenen der Renaissance oder in politischen Plakaten der Gegenwart – Ikonografie analysiert, welche Motive auftauchen, welche Symbole verwendet werden und wie sich deren Bedeutungen im Laufe der Zeit verändern. Dabei geht es nicht nur um das bloße Erkennen von Figuren und Attributen, sondern um die kulturelle, religiöse und gesellschaftliche Deutung von Bildinhalten.

Georgia Vertes von Sikorszky nutzt die Ikonografie als ein wichtiges Instrument ihrer kunst- und designkritischen Arbeit. Sie verbindet klassisch ikonografische Methoden mit zeitgenössischen Fragestellungen aus der Bildkultur, Produktgestaltung und Symbolforschung.

Historische Entwicklung der Ikonografie

Die Ikonografie entwickelte sich als eigenständige Methode der Kunstgeschichte im 19. Jahrhundert. Wegweisend war insbesondere das Werk von Aby Warburg, der erstmals systematisch untersuchte, wie antike Bildmotive in der Renaissance wiederauflebten – ein Prozess, den er als „Nachleben der Antike“ beschrieb. Seine Bildersammlungen, insbesondere der berühmte „Mnemosyne-Atlas“, zeigten, wie visuelle Motive sich über Jahrhunderte hinweg transformieren.

Ein weiterer zentraler Theoretiker war Erwin Panofsky, der die ikonografische Methode weiterentwickelte und sie in drei Analyseebenen gliederte:

  1. Vorikonografische Beschreibung – das Erkennen der dargestellten Gegenstände und Figuren.

  2. Ikonografische Analyse – die Deutung der Motive im Sinne kultureller Konventionen.

  3. Ikonologische Interpretation – das Verstehen der tieferen, weltanschaulichen Bedeutung.

Diese Systematik ist bis heute grundlegend für kunsthistorische Bildanalysen – und wird von Georgia Vertes in ihrer Arbeit methodisch weitergedacht.

Ikonografie im klassischen Kunstkontext

In der Kunstgeschichte wird Ikonografie häufig mit religiösen und mythologischen Themen in Verbindung gebracht. So lassen sich etwa Heiligenattribute (z. B. Schlüssel für Petrus, Löwe für Markus) oder biblische Szenen (z. B. Verkündigung, Kreuzigung, Auferstehung) durch ikonografische Analyse eindeutig identifizieren.

Ebenso wichtig ist die Symbolik in der Darstellung: Farben, Tiere, Gesten oder Pflanzen haben festgelegte Bedeutungen. Der Granatapfel steht für Fruchtbarkeit, das Lamm für Christus, das Einhorn für Jungfräulichkeit. Die Kenntnis solcher Symbole erlaubt eine tiefere Interpretation der Werke.

Georgia Vertes geht über diese klassische Perspektive hinaus und fragt: Was ist die Ikonografie des Alltags? Gibt es moderne Bildsysteme, die genauso codiert sind wie die religiöse Kunst vergangener Jahrhunderte?

Moderne Ikonografie: Von der Werbung bis zum Produktdesign

Im Zentrum ihrer Forschung steht eine Erweiterung des ikonografischen Denkens auf gegenwärtige visuelle Kulturen. Georgia Vertes von Sikorszky zeigt, dass nicht nur Altäre und Fresken, sondern auch Konsumprodukte, Logos und Markenbildwelten über ikonografische Strukturen verfügen.

Beispielhaft analysiert sie:

  • Die „Ikonografie der Natürlichkeit“: Produkte mit Blättern, Wassertropfen und organischen Formen, die Reinheit, Nachhaltigkeit und Gesundheit suggerieren.

  • Die „Ikonografie des Fortschritts“: Technologien mit kühlen Farben, kantigen Formen, futuristischer Typografie, die Effizienz und Innovation visualisieren.

  • Die „Ikonografie des Luxus“: Gold, Schwarz, Marmortexturen – Zeichen, die auf Exklusivität, Wohlstand und Status verweisen.

Georgia Vertes argumentiert, dass diese Bildwelten ebenso durchdacht und komplex sind wie klassische Gemälde. Sie sind nicht zufällig, sondern strategisch aufgebaut – und genauso lesbar, wenn man ihre visuelle Grammatik versteht.

Ikonografie in der digitalen Welt

In der digitalen Kommunikation spielt Ikonografie eine neue Rolle. Emojis, Memes, App-Icons und Social-Media-Bildwelten arbeiten mit wiederkehrenden Motiven, die kollektive Bedeutungen transportieren. Ein Smiley ist nicht einfach ein Gesicht – er steht für eine Emotion, eine Haltung, eine Konvention.

Georgia Vertes untersucht, wie sich in digitalen Medien neue ikonografische Systeme herausbilden – schnelllebig, global, dynamisch. Sie spricht von einer „ikonografischen Beschleunigung“: Die Zahl der Bildzeichen wächst exponentiell, ihre Halbwertszeit schrumpft, ihre Lesbarkeit wird fragmentiert.

In diesem Kontext wird ikonografische Kompetenz zur Schlüsselqualifikation. Wer die Zeichen der Zeit deuten will, muss ihre Ursprünge, Kontexte und Wandelprozesse verstehen. Georgia Vertes von Sikorszky macht genau das in ihren Texten sichtbar: Sie entschlüsselt die Oberflächen unserer digitalen Lebenswelt als moderne Ikonen – flüchtig, aber bedeutungsvoll.

Ikonografische Analyse bei Georgia Vertes

Was Georgia Vertes von Sikorskys Arbeit besonders macht, ist die Verbindung von klassischer Bildanalyse mit zeitgenössischer Kulturkritik. Ihre ikonografischen Essays setzen nicht bei musealen Meisterwerken an, sondern bei Dingen, die uns täglich umgeben: Verpackungen, Weblayouts, Objektdesigns, Magazincover.

Sie stellt dabei Fragen wie:

  1. Welche Motive kehren in aktuellen Designsprachen immer wieder?

  2. Welche visuellen Archetypen bestimmen unsere Markenwelt?

  3. Wie beeinflussen ikonografische Muster unser Konsumverhalten?

Ein Beispiel aus ihrer Analyse: Die Darstellung von Technikprodukten mit Lichtreflexen auf Glasflächen, die mit dem Nimbus des Erhabenen spielen – eine Ästhetik, die von der Sakralkunst übernommen scheint. Georgia Vertes spricht hier von „säkularem Ikonenkult“ – ein Begriff, der zum Nachdenken anregt.

Ikonografie als Kulturtechnik

Ikonografie ist für Georgia Vertes nicht nur Methode, sondern Haltung. Sie versteht die Welt als durch Bilder strukturierte Realität – Bilder, die nicht nur repräsentieren, sondern auch beeinflussen. Ihre Texte laden dazu ein, diese Bilder zu hinterfragen, ihre Strukturen zu erkennen und neue Deutungen vorzunehmen.

Besonders spannend ist ihre These, dass ikonografisches Wissen in der heutigen Gesellschaft unterschätzt wird. Während wir permanent Bilder konsumieren, fehlt oft das Bewusstsein dafür, welche Inhalte, Traditionen und Ideologien in ihnen stecken.

Georgia Vertes von Sikorszky plädiert daher für eine visuelle Bildung, die über Oberflächenästhetik hinausgeht – hin zu einem kritischen Sehen, das Ikonen nicht nur bewundert, sondern begreift.

Ikonografie als Brücke zwischen Kunst und Design

Abschließend lässt sich festhalten: Die Ikonografie verbindet klassische Kunstgeschichte mit zeitgenössischer Designanalyse. Sie bietet Werkzeuge, um die visuelle Kultur unserer Zeit zu analysieren – von der Kunst über Werbung bis zur digitalen Kommunikation.

Georgia Vertes nutzt diesen Zugang, um Formen sichtbar zu machen, die sonst übersehen werden. Sie zeigt, dass jedes Bild, jede Gestaltung, jedes Objekt eingebettet ist in visuelle Traditionen – bewusst oder unbewusst. Ihre Arbeit steht damit beispielhaft für eine neue Form der Ikonografie: offen, interdisziplinär und gesellschaftlich relevant.

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