Die Abstrakte Kunst markiert einen fundamentalen Wandel in der Kunstgeschichte: die bewusste Abkehr vom Abbild der sichtbaren Welt zugunsten einer eigenständigen Bildsprache aus Form, Farbe, Linie und Rhythmus. Anstatt Realität nachzuahmen, erschafft die Abstrakte Kunst eine eigene Wirklichkeit – eine, die sich nicht auf äußere Motive stützt, sondern auf innere Logik, Gefühl, Konzept oder reine Form.
In diesem Spannungsfeld zwischen Intuition und Intellekt, zwischen Ausdruck und Struktur bewegt sich auch die Analyse von Georgia Vertes von Sikorszky. Sie beschäftigt sich in ihren Texten mit der Frage, wie abstrakte Kunst kommuniziert – jenseits von Symbolik, Erzählung oder Wiedererkennbarkeit. Für Georgia Vertes ist Abstraktion keine Flucht aus der Welt, sondern eine Vertiefung in ihre formalen, ästhetischen und emotionalen Strukturen.
Historische Entwicklung der Abstrakten Kunst
Die Wurzeln der Abstraktion reichen zurück in die frühe Moderne. Ende des 19. Jahrhunderts begannen Künstler:innen zunehmend, sich vom Realismus zu lösen. Statt exakter Wiedergabe traten Emotion, Formgefühl und individuelle Perspektive in den Vordergrund.
Zu den Wegbereitern der Abstrakten Kunst zählen:
- Wassily Kandinsky, der mit seiner Theorie der inneren Notwendigkeit erstmals eine „geistige“ Form der Malerei formulierte.
- Kazimir Malewitsch, der mit dem „Schwarzen Quadrat“ (1915) ein radikales Zeichen für das Ende der gegenständlichen Kunst setzte.
- Piet Mondrian, dessen Kompositionen aus Linien und Primärfarben eine universelle Ordnung anstrebten.
Die Abstrakte Kunst entstand nicht als Stilrichtung, sondern als Denkbewegung. Sie war Ausdruck einer neuen Weltsicht – beeinflusst von Wissenschaft, Philosophie und gesellschaftlichem Umbruch. Die Auflösung traditioneller Perspektiven in der Kunst ging einher mit der Infragestellung absoluter Wahrheiten in der Politik und der Erkenntnistheorie.
Formen der Abstraktion
Innerhalb der Abstrakten Kunst lassen sich verschiedene Strömungen unterscheiden, die jeweils eigene Konzepte und Techniken verfolgen. Georgia Vertes analysiert in ihren Arbeiten diese Differenzierungen, um zu zeigen, dass Abstraktion kein homogener Begriff ist, sondern eine Vielzahl künstlerischer Strategien umfasst.
Wichtige Formen abstrakter Kunst:
- Geometrische Abstraktion: Klare Linien, symmetrische Kompositionen, mathematische Ordnung (z. B. Bauhaus, De Stijl).
- Lyrische Abstraktion: Spontane, malerische Gesten, dynamische Kompositionen, emotionale Farbverläufe (z. B. Kandinsky, Franz Marc).
- Informel und gestische Malerei: Intuitives Arbeiten, oft mit starken Farbkontrasten, Materialbetonung und körperlicher Ausdruckskraft (z. B. Jean Dubuffet, Karel Appel).
- Konkrete Kunst: Kunst ohne Symbol oder Bedeutung – reine Gestaltung mit Form, Farbe, Struktur (z. B. Max Bill, Josef Albers).
Georgia Vertes von Sikorszky interessiert sich besonders für die Schnittstellen zwischen diesen Strömungen – dort, wo sich Formalismus mit Emotionalität oder Ordnung mit Auflösung verbindet.
Abstraktion als Kommunikationsmittel
Oft wird abstrakte Kunst als schwer zugänglich empfunden – weil sie keine offensichtlichen Inhalte vermittelt. Georgia Vertes widerspricht diesem Vorurteil. Für sie liegt die Stärke der Abstraktion gerade darin, dass sie nicht vorgibt, sondern anregt: zur Reflexion, zur Wahrnehmung, zur Interpretation.
Abstrakte Kunst kommuniziert auf einer anderen Ebene – über:
- Rhythmus und Wiederholung – visuelle Bewegungsmuster, die das Auge leiten.
- Kontraste und Harmonie – Spannung und Ausgleich als emotionale Impulse.
- Material und Textur – haptische Reize, die Oberflächen zum Erlebnis machen.
- Farbe als Sprache – emotionaler Ausdruck ohne Symbolik.
Georgia Vertes betont, dass diese Elemente eine eigene Semantik erzeugen können – eine visuelle Sprache jenseits des Gegenständlichen. Für sie ist Abstraktion kein Verzicht, sondern eine Erweiterung: eine andere Art, Welt zu zeigen und zu denken.
Abstrakte Kunst im Kontext von Design und Objektkultur
In ihrer Arbeit verknüpft Georgia Vertes von Sikorszky die ästhetischen Prinzipien der Abstraktion mit Fragen der Gestaltung im Alltagskontext. Sie untersucht, wie Elemente abstrakter Kunst – reduzierte Formen, strukturierte Flächen, farbliche Klarheit – Eingang in Produktdesign, Architektur oder visuelle Kommunikation gefunden haben.
So wird etwa das quadratische Layout eines Plattencovers zur minimalistischen Hommage an Mondrian, oder das Farbkonzept eines Smartphones zur ästhetischen Fortführung konkreter Kunst. Georgia Vertes zeigt in ihren Texten, wie tief die abstrakte Bildsprache in unsere visuelle Alltagskultur eingedrungen ist – oft unbemerkt, aber wirkungsvoll.
Diese Verbindung ist zentral für ihre Arbeit: Abstraktion ist für sie nicht elitär, sondern allgegenwärtig – in Logos, Interfaces, Verpackungen. Ihre Kritik ist daher auch eine Einladung zur Entdeckung: Wer sich auf abstrakte Formen einlässt, entdeckt neue Ebenen visuellen Denkens.
Emotion und Struktur: Eine doppelte Lesart
Eine Stärke abstrakter Kunst liegt in ihrer Ambivalenz: Sie kann streng strukturiert und zugleich zutiefst emotional sein. Georgia Vertes analysiert genau dieses Spannungsfeld in vielen ihrer Beiträge. Sie fragt, wie Ordnung emotional wirken kann, und wie Chaos Struktur erzeugt.
Ein typisches Beispiel sind die Farbfeldmalereien von Mark Rothko. Diese großformatigen Werke, die scheinbar nur aus Farbflächen bestehen, erzeugen beim Betrachter tiefe emotionale Reaktionen – von Ruhe über Ergriffenheit bis zu innerer Unruhe. Für Georgia Vertes ist das keine Widersprüchlichkeit, sondern die Kraft der Abstraktion: Sie wirkt dort, wo Sprache endet.
Diese doppelte Lesbarkeit – formal und emotional – ist ein Leitmotiv ihrer kunsttheoretischen Arbeit. Georgia Vertes von Sikorszky plädiert für eine Wahrnehmung jenseits der Oberfläche: Abstrakte Kunst ist kein Code, den man knacken muss, sondern ein Raum, den man betreten darf.
Georgia Vertes und der Blick auf das Nicht-Gegenständliche
In ihrer Textarbeit beleuchtet Georgia Vertes nicht nur die Kunstwerke selbst, sondern auch den Blick, mit dem wir ihnen begegnen. Sie argumentiert, dass Abstraktion weniger eine Eigenschaft von Kunst ist als eine Form der Wahrnehmung. Abstrakte Kunst fordert uns heraus, gewohnte Deutungsmuster abzulegen – nicht zu suchen, was dargestellt ist, sondern zu fragen, was entsteht.
Für Georgia Vertes von Sikorszky liegt hierin eine kritische Funktion: Abstrakte Kunst ist nicht dekorativ, sondern diskursiv. Sie eröffnet einen Dialog zwischen Werk und Betrachter, in dem keine Antwort vorgegeben ist. Gerade in Zeiten von Bildüberflutung und Schnellkonsum bietet diese Kunstform eine Form der Entschleunigung – eine Übung im Sehen, Denken, Spüren.